Noch bevor er über die Gangway an Bord ging, hatte Kapitän Schwandt schon die erste Geschichte parat. Hansa-Hafen Hamburg, Stückgutfrachter MS Bleichen: Es war ein besonderer Herbstnachmittag. „Die Welle kam über den Bug und schlug ein Loch in die Brücke“, sagte er und zeigte Richtung der Aufbauten. Auf einem baugleichen Frachter hatte Schwandt als Matrose einen Jahrhundertsturm auf dem Nordatlantik überlebt.
Unwettergefahr bestand nicht an diesem Tag im Hamburger Hafen, auch wenn das Wetter typisch norddeutsch war. Einige Stunden fuhr das alte Schiff, das liebevoll von einer Crew aus Freiwilligen restauriert wurde, die Elbe hinunter. An Bord gab Schwandt der Hamburger Morgenpost ein Interview, das Redakteurin Stephanie Lamprecht führte. Hier dokumentieren wir dieses spannende Gespräch in Auszügen. Der alte Mann und der Fluss – Kapitän Schwandt auf der Elbe.
Besonders bedanken wir uns beim Fotografen Marius Röer, der diese großartige Aufnahmen des alten Seemanns machte. Große Klasse!
Mit Kapitän Schwandt auf der Elbe
Käpt’n, wie geht es Ihnen heute?
Käpt’n Schwandt: Bevor ich hier mit meinen Zipperlein anfange, sage ich mal: Die durchschnittliche Lebenserwartung des männlichen Mitteleuropäers liegt bei 79 Jahren. Ich bin 82. Mein Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen, ich bin zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt.
Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als sie die Bilder aus Chemnitz gesehen haben?
Käpt’n: Das beunruhigt mich schon sehr. Vor allem das Reagieren der Politik darauf, dieses Runterspielen und Relativieren. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat gesagt, es habe keine progromartigen Hetzjagden gegeben. Er hätte hinzufügen müssen: noch nicht.
„Wir brauchen deutliche Signale“
Geht die Kanzlerin entschieden genug gegen rechtsradikale Kräfte vor?
Käpt’n: Nee. Es reicht weiß Gott nicht, die Vorkommnisse in Chemnitz und anderswo „aufs Schärfste“ zu verurteilen. Ja, meine Fresse, glauben die in Berlin denn, die Neonazis nehmen sich sowas zu Herzen, schämen sich und verkriechen sich in ihre Löcher? Die lachen sich doch tot! Da muss mit der ganzen Härte des Gesetzes reagiert werden und zwar nicht nur mit Bewährungsstrafen. Die brauchen mal deutliche Signale.
Was ist das drängendste Problem derzeit?
Käpt’n: Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Aber was macht der Seehofer? Entlässt seinen einzigen SPD-Staatsrat, der, der sich mit Wohnungsbau auskennt, und ersetzt den durch den Maaßen. Und die Migration, die müsste energischer vorangetrieben werden. Es kann nicht sein, dass die Menschen hier zwei Jahre im Verfahren sind, deutsch lernen, eine Ausbildung machen und dann abgeschoben werden. Wenn Migranten straffällig werden, sag ich allerdings: Sofort von Santa Fu zum Flughafen und nach Hause.
Da gibt’s ja manchmal Abschiebehindernisse, etwa, wenn den Straftäter in seiner Heimat Folter erwartet.
Käpt’n: Ja, das weiß der Kerl doch vorher! Das ist doch sein Problem, nicht unseres. Das ist in meinen Augen falsch verstandene Humanität.
Für AfD-Anhänger sind Sie ja ein rotes Tuch. Wie sollte man mit denen umgehen, so im Alltag?
Käpt’n: Immer Gegenhalten. Die Populisten haben ja nur ein Programm: Die Flüchtlinge sind an allem Schuld. Dabei gehen nur zwei Prozent des Bundeshaushaltes gehen in die Versorgung von Flüchtlingen. Und gucken Sie sich doch mal an, wo die demonstrieren: Im Osten, wo die Städte besser aussehen als im Ruhrgebiet und es so gut wie keine Muslime gibt.
Haben die etablierten Parteien diese Menschen nicht ernst genug genommen?
Käpt’n: Die sind diesen Wutbürgern doch schon viel zu weit entgegen gekommen! Durch dieses Fischen nach Wählerstimmen von rechts ist die Sprache der AfD doch in die bürgerliche Mitte eingesickert. Alles darf man sagen. Die schwenken auf die AfD-Linie ein und die Leute wählen trotzdem die AfD und nicht die CDU. Die wählen die AfD sogar, wenn die mit Neonazis und Hooligans in einer Reihe marschieren.
Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?
Käpt’n: Ja. Es geht Deutschland wirtschaftlich gut. Und die Mehrheit in Europa hält immer noch an den alten Werten fest, selbst in den Ländern, in denen die Populisten stark sind.