Noch immer ist das Rettungsschiff Aquarius mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer unterwegs, weil die rechtsgerichtete Regierung Italiens ihre Häfen für das Schiff geschlossen hat. Am Samstag soll das Schiff der Organisation SOS Méditerranée den Hafen von Valencia erreichen. 106 Flüchtlinge befinden sich noch an Bord. Viele sind seekrank, denn das Wetter ist schlecht. Vier Meter hohe Wellen setzen den Geretteten auf der „Aquarius“ zu. 520 Flüchtlinge waren von zwei anderen Schiffen übernommen worden, was zumindest die Situation auf der „Aquarius“ etwas entspannte.
Ein Schiff der US-Marine, die „Treton“ hat nach Medienberichten 40 Flüchtlinge und 12 Leichen an Bord. Das Schiff wartet auf Anweisung, welchen Hafen es anlaufen darf, wie die deutsche Rettungsorganisation „Sea-Eye“ mitteilte
Ein Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kritisierte die unklaren Verhältnisse, die durch die Schließung der Häfen entstanden sind. „Diese Situation muss gelöst werden. Überlebende von Schiffsunglücken sind extrem verwundbar, traumatisiert und brauchen unbedingt sofortige Hilfe“, sagte Flavio Di Giacomo. Zu lange zu warten, sei keine Option.
Verstoß gegen Internationales Seerecht
„Italien verstößt eindeutig gegen Internationales Seerecht“, sagt Kapitän Stefan Schmidt, Jahrgang 1941, Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein und Ankerherz-Kolumnist. „Jeder Kapitän ist verpflichtet, Menschen, die er in Seenot antrifft, in einen sicheren Hafen zu bringen.“
Schmidt kennt die Situation aus eigener Erfahrung. 2004 sorgte sein Fall weltweit für Schlagzeilen, als die damalige italienische Regierung seinem Schiff „Cap Anamur“ mit Geretteten an Bord die Einfahrt in einen Hafen verweigerte. Weil er eine Eskalation und eine Meuterei an Bord fürchtete, lief Schmidt trotzdem ein – und wurde wegen „Menschenhandel“ angeklagt. Der Prozess vor einem Gericht in Süditalien endete mit einem Freispruch, zog sich aber jahrelang hin und zerstörte seine Laufbahn als Kapitän. „Mich macht wütend, dass sich diese Geschichte wiederholt“, sagt Schmidt. „Ich hoffe, wir haben diesmal einen Innenminister, der in der Situation tätig wird und hilft“. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte sich nicht für den Seemann aus Lübeck eingesetzt.
Beobachter befürchten, dass die neue italienische Regierung der fremdenfeindlichen Partei „Lega Nord“ plant, die Arbeit der privaten Seenotretter mit einer dauerhaften Schließung der Häfen zu beenden. Auch Malta hat angekündigt, keine Schiffe mit Flüchtlingen mehr anzunehmen. Es gibt Spekulationen über einen geheimen „Deal“ mit Innenminister Matteo Salvini, den SPIEGEL ONLINE vor kurzem als „Trumpini“ bezeichnete.
Für die Geretteten wie für die Crews der Rettungsschiffe hätte dies dramatische Folgen. Oft sind die Menschen erschöpft, dehydriert oder auch verletzt. An Bord droht bei tagelangen Überfahrten nach Spanien, (das sich bereit erklärt hat, zu helfen), eine Panik. Nächstgelegene sichere Häfen befinden sich in Frankreich; die Regierung Macron äußerte sich bislang auffallend zurückhaltend, während sich die Regionalregierung von Korsika mit den Flüchtlingen solidarisch zeigte. Auch hier ist ein Konflikt vorprogrammiert.
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