Frau Kapitän: die Geschichte der Nicole Langosch

Frau Kapitän: die Geschichte der Nicole Langosch - Ankerherz Verlag

Frau Kapitän Langosch. Die Seefahrt ist auch heute noch eine Domäne der Männer. Von tausend Kapitänen auf der Brücke ist nach der Statistik einer weiblich. Doch es tut sich was: Die Geschichte von Frau Kapitän Nicole Langosch. Ein gekürzter Auszug aus unserem neun Buch „Kapitäne„, das Ihr hier bestellen könnt.

Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als ich das große Schiff zum ersten Mal alleine manövrierte. Kein Seemann vergisst diesen Moment. Ich spürte eine Anspannung, ich will nicht sagen Nervosität, denn dafür war keine Zeit. Es war irgendwo vor den Kanaren, und man teilte mich als Wachgänger ein. Außer mir befand sich ein Matrose auf der Brücke. „Nicole kann das jetzt alleine“, hatte der Kapitän gesagt, bevor er mir das Kommando übergab und verschwand.

Hinterher habe ich gelernt, dass er von seiner Kabine aus zusah. Ich habe diesen Monitor heute auch in meiner Kammer. Er zeigt mir das Radar und die elektronische Seekarten an.

Frau Kapitän: Ihre Geschichte

Ich bin Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes. Es gibt nicht viele weibliche in Deutschland, und die erste Deutsche auf einem Kreuzfahrtschiff war ich bei meiner Berufung auch. Fernseh-Sender haben über mich berichtet und Zeitschriften. „Allein unter Männern“, „Erste Frau hat das Kommando“, solche Überschriften erscheinen, und man verlieh mir einen Preis als „Persönlichkeit des Jahres.“ Manche nennen mich ein „Rollenmodell“. Finde ich das gut? Ich weiß es manchmal nicht. Ich denke, ich bin da in etwas reingeraten.

Ich mag meinen Beruf einfach.

Ich kommandiere heute eine schwimmende Kleinstadt über die See. Die Reaktionen der Passagiere sind durchweg positiv gewesen, und wenn es mal eine Macho-Bemerkung gab, habe ich sie nicht gehört. Man kennt die alten Erzählungen von ganz früher, als im Aberglauben der Seeleute Frauen Unglück an Bord bedeuteten. Die alten Seebären glaubten, dass alles, was nicht im Stehen über eine Reling pinkeln kann, an Bord eines Schiffes nichts zu suchen hat. Das waren die Zeiten, in denen man auch an Ungeheuer glaubte. Die allermeisten Menschen sind inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen, und über etwas anderes mache ich mir auch keine Gedanken.

Frau Kapitän Nicole Langosch. Foto: Ankerherz

 

Aufgewachsen bin ich im Harz, Osterode, das Meer war weit weg, doch ich ging mit meinen Eltern häufig segeln. Mittelmeer, Ostsee, gerne in den Niederlanden. Von ihnen habe ich die Begeisterung für die Navigation geerbt.

Nach dem Abitur wollte ich es ausprobieren. Mich interessierte die Kombination, die der Beruf bietet: Er ist technisch interessant, international und zeigt einem die weite Welt. Ein halbjähriges Praktikum auf einem großen Containerschiff, es ging von Genua über den Atlantik und durch den Panamakanal die Westküste der Vereinigten Staaten hinauf bis Vancouver. Es war harte Arbeit. Decks schrubben, Wache gehen, Malerarbeiten. Das Bordleben, so lernte ich, reduzierte sich auf Arbeiten, Essen, Schlafen.

Kurze Haare? Muss lesbisch sein!

Die Crew behandelte mich freundlich. Ich werde immer danach gefragt, wie das denn so ist, alleine unter Männern? Das seien doch harte Kerle mit überschaubaren Manieren? Ich habe noch keine negativen Erfahrungen gemacht. Mal ein blöder Spruch, sicher, aber man lernt, den Konter zu setzen und schlagfertig zu sein. Auf dem damaligen Schiff war ich die zweite deutsche Frau, die die Offizierslaufbahn einschlug, die Crew von den Philippinen kannte das Phänomen also schon. Trotzdem wurde ich skeptisch beäugt, als ich den philippinischen Bootsmann nach einer Bohrmaschine fragte. „Kann die auch damit umgehen“, schien er sich zu fragen.

KAPITÄNE! Seeleute berichten von ihren Abenteuern auf See.

 

Zu jener Zeit trug ich die Haare kurz. Schnell machte das Gerücht die Runde, ich sei lesbisch. Klar, kurze Haare, Seefahrt, die Frau muss ja lesbisch sein. „Gut, ist das auch geklärt“, dachte ich mir, hatte ich doch immerhin meine Ruhe.

Nach dem nächsten Landgang lernte ich, dass ich als Frau darauf achten muss, mit wem ich einen Kaffee trinke. Ein ganz unschuldig geschlürfter Cappuccino, den ich mit einem Crewmitglied in einem Café trank, war für einen Teil der Crew so aussagekräftig, dass Gerüchte die Runde machten. Es gab Unfrieden an Bord und endete beinahe in einer Schlägerei. Ich widmete mich danach mitreisenden Passagieren, wenn mir nach Gesellschaft zu Mute war und es einsam zu werden drohte. Nach dieser Reise wusste ich: Seefahrt, ja, unbedingt.

Handelsschifffahrt eher nicht. (…)

Nicole Langosch, Jahrgang 1983, geboren in Osterode, wuchs in Hessen auf. Sie ist die erste Kapitänin Deutschlands auf einem Kreuzfahrtschiff und eine von wenigen Frauen, die in der Männerdomäne als Kapitän arbeiten. Sie lebt in Hamburg.

 

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