Der Orkan heult ums Schiff und ich sehe aus meiner Koje das Feuer eines Leuchtturms. Mondlicht versilbert den Ozean vor der Ostküste Islands. Wir liegen auf Reede. Weil es zu gefährlich ist, können wir nicht einlaufen in den Fjord von Seydisfjördur. Die Hafenbehörde meldet Wind in Hurrikanstärke.
Wir sind unterwegs mit unserer „Skua-Tour“, die wir nach der großen Raubmöwe des Nordens benannten. Nun sind wir Gefangene des Sturms.
Die Passage von den Färöer-Inseln über die Islandsee glich einem wilden Ritt. Mächtige Wellen schüttelten die Fähre „Norröna“, deren Name übersetzt „Nordmeer“ bedeutet. Schaumkronen, fliegende Gischt, das Schiff rollte und stampfte in der See und die Crew sperrte die Außendecks mit Ketten und Schildern: „Closed. Stormy Weather“.
Seekrankheit bei Windstärke 11
Je weiter nördlicher wir kamen, desto heftiger wurde es. Die Seekrankheit setzte einigen an Bord übel zu. Vor der Küste Islands maß man auf der Brücke Windstärke 11. Abenteuer Nordatlantik, wirklich. Selbst mancher Seemann hat das noch nicht erlebt.
Aus der Perspektive der Bordbar „Laterna Magica“, in einer Latte Macchiato-Situation hinter Panoramascheiben, ließ sich das Ganze gut aushalten. Draußen brüllte der Sturm, drinnen plätscherte Softpop aus den Lautsprechern. Ich bin nicht sicher, ob alle Passagiere mitbekamen, welch seemännisches Können auf dem Nordatlantik gefragt ist.
Angesichts der Wettermeldungen hatte der Kapitän entschieden, schon kurz nach dem Ablegen in Dänemark deutlich schneller als sonst zu fahren und den Hafen von Torshavn früher zu verlassen. Er wollte vor dem Eintreffen des großen Sturms den Windschatten Islands erreichen. Richtige Entscheidung, die bestimmt teuer war.
Verantwortung des Kapitäns
Welche Verantwortung dieser Kapitän trägt! Einerseits soll er einen Fahrplan einhalten und möglichst wirtschaftlich unterwegs sein, möglichst sparsam im Umgang mit Treibstoff. Anderseits ist er für das Schiff, seine Passagiere, Crew und die Ladung verantwortlich. Ein nautischer Risikomanager in einer der lebensfeindlichsten Umgebungen des Planeten.
Ich fühle mich wohl an Bord der Islandfähre, denn ich kenne Petur av Vollanum, ein drahtiger Seemann mit kahlrasiertem Schädel und eisernem Lächeln, von anderen Reisen. Einmal steuerte er sein Schiff ins Auge eines Sturmtiefs, weil es dieselbe Route nahm und es im Inneren eines Sturms windärmer und sicherer ist.
Vertrauen in den Kapitän zu haben: so wichtig. Ein Gedanke, der sich momentan auf andere Dinge des Lebens übertragen lässt.
Für die Rückreise gibt es wieder eine Wetterwarnung. Der nächste Sturm über dem Nordatlantik ist angesagt.
Das ist der inoffizielle Song zur Tour. Sam Fender: People Watching. (Wer mit uns auf der Newcastle Reise war, dem dürften einige Ecken in diesem Video bekannt vorkommen).
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