Drama am Beachy Head im Süden Englands. In einem schweren Gewitter und Sturm haben Seenotretter der Station Newhaven zwei Segler gerettet. Ihr Boot drohte auf die Klippen zu treiben und von den Wellen zerschlagen zu werden.
Nach Mitternacht, in einem schweren Gewitter und Sturm am Beachy Head, England. Das Rettungsboot der Severn-Class tastet sich durch die Dunkelheit. An Bord: sechs freiwillige Retter der Station Newhaven. Im Notruf, den die britische Coast Guard weiter leitete, ist von einem Segelboot die Rede. Für zwei Menschen geht es in den nächsten Minuten um Leben oder Tod. Ihr Segel ist gerissen und der Motor ausgefallen.
Blitze erhellen die Nacht. Donner hallt an den steilen Klippen wider, es ist gespenstisch. Nirgendwo sonst gibt es in Großbritannien solch hohe Kreidefelsen. Es ist ein Ort der Mythen und Legenden, an dem angeblich der Geist eines böses Mönchs sein Unwesen treibt, der Menschen in den Tod stößt. Für die zwei Segler ist die Gefahr ganz real. Im Einsatzbericht ist von acht Beaufort aus Südwest die Rede, der das Boot auf die Felsen schiebt. Der Regen fällt „sintflutartig“.
Die Suchscheinwerfer des Seenotrettungsbootes schneiden in die Dunkelheit, doch sie dringen kaum durch Dunkelheit und Starkregen. Wo ist das Boot nur? Dann, etwas anderthalb Seemeilen südlich von Cuckmere Haven, wo der Fluss in den Ärmelkanal mündet, entdecken sie ihr Ziel. Die Seenotretter erkennen, dass die Besatzung des Segelboots einen Notanker ausgebracht hat, um den Drift zu verlangsamen. Das Boot treibt immer weiter auf die Klippen zu.
Von dort wird eine Rettung schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein. Zu flach ist das Wasser, zu gewaltig die Wellen. Das Krachen der Brecher an den Klippen erfüllt die Nacht. Sturm heult. Ein Inferno.
Beide Boote rollen extrem in der See. Vorsichtig nähert sich der Seenotrettungskreuzer. Ein Crewmitglied brüllt hinüber, was Vormann Lewis Arnold vor hat: Er will die Segelyacht aus der unmittelbaren Gefahrenzone hinaus auf die offene See schleppen. Die Seenotretter übergeben zwei Schwimmwesten. Sie werfen eine Leine hinüber. Verfehlen das Ziel.
Sie werfen wieder. Vergeblich! Der Sturm nimmt immer weiter zu. Die Seenotretter wissen nicht, wie weit sie noch von den Klippen entfernt sind. Der Sturm brüllt und das Krachen der Brecher ist ohrenbetäubend. „Aufgrund der schweren Wetterbedingungen und der Dunkelheit war es für die Besatzung an Deck unmöglich zu erkennen, wo wir uns befanden oder wie nah wir an der Küste waren“, so steht es im Einsatzbericht.
Auch der nächste Versuch, eine Leine zu übergeben, scheitert. Vormann Lewis, der sich nun um die Sicherheit seiner eigenen Crew sorgt, bricht das Manöver ab. Er überlegt, was zu tun ist. Die Zeit wird knapp. Er unternimmt den nächsten Anlauf, quer zur See. Was am Havaristen für einen Windschutz sorgt. Diesmal setzen die Seenotretter zwei Wurfleinen gleichzeitig ein, die sie über den Havaristen werfen.
Diesmal klappt es!
Langsam zieht der Seenotkreuzer die Yacht aus der unmittelbaren Gefahrenzone hinaus. Die Wassertiefe beträgt nun zehn Meter. Die Crew war müde und „extrem“ nass, doch der Fortschritt setzt neue Kräfte frei. Der Vormann entschließt sich, nicht nach Westen zu laufen, sondern am Beachy Head vorbei Richtung Osten, Richtung Eastbourne. In der Zwischenzeit drehte der Sturm auf Süden. Die Bedingungen auf See: extrem.
Die Seenotretter kommen am berühmtem Leuchtturm vorbei. Sie bitten die Kameraden der Station Eastbourne, das Schleppseil zu übernehmen. Zu müde ist die Crew nach dem Kampf mit den Elementen. Die Kollegen willigen ein und übernehmen eine Viertelmeile vor der Küste den Einsatz. Sie schleppen die Yacht in den Sovereign Harbour. Gerettet!
Die Seenotretter von Newhaven tasten sich durch den Sturm zurück in ihren Heimathafen. Um 5:17 Uhr meldet die Station, dass sie wieder einsatzbereit ist. Ob alle freiwilligen Retter nach diesem Einsatz frei bekamen? Ich vermute nicht. Für einige ging es nach dem Frühstück bestimmt zur Arbeit…
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