Wenn Hans Albers und Freddy Quinn stottern
Aufgeschrieben von Stefan Kruecken, Ankerherz.
Was in der Haifisch Bar gespielt wird, bestimmt nicht der Barkeeper, sondern derjenige, der Münzen in die Musikbox steckt. Ein leuchtender Kasten, rechts neben der Herrentoilette, so alt, dass nicht mal Gert Schlufter, der Wirt, weiß, seit wann er an der Wand hängt.
Zwei Pfeiltasten lotsen den DJ durch das Repertoire des Hais, und es gibt ein schnarrendes Geräusch, wenn die Anzeige der CD-Titel umspringt. Knapp zweitausend Lieder stecken in diesem Musikkasten, und wer raffinierten Indie-Pop mit tiefsinnigen Texten sucht, der geht besser weiter. Nummer 04: George Baker Selection, „Paloma Blanca“. 21: Lolita – ihre größten Erfolge. 29: Elvis forever. 55: Freddy Quinn: Der Junge von Sankt Pauli (es gibt eine Menge Freddy Quinn in der Jukebox der Haifisch Bar). 69: Wolfgang Petry: „Scheißegal“.
Alle paar Monate legt Schlufter neue Lieder nach. Justin Bieber muss draußen bleiben, doch Bruno Mars ist jetzt mit dabei, direkt unter Schnulzen von Dean Martin. Gerade die jüngeren Gäste wollen aktuelle Lieder aber nicht im Hai hören. „Die spielen permanent Hans Albers, Lale Andersen und immer wieder Freddy Quinn“, meint Schlufter. „Die wollen immer den alten Kram.“
Zwei Euro in der Musikbox
Ein Song kostet 50 Cent, vier Songs sind für einen Euro zu haben, neun für zwei Euro. Wenn niemand nachwirft, schweigt der Hai. Schlufter hat beobachtet, dass es immer öfters still ist (also, vom Stimmgewirr der Tresengespräche abgesehen): „Das Geld sitzt den Leuten nicht mehr so locker“, sagt er.
Nun besteht die Möglichkeit, den anderen Gästen auf Kosten von zwei Euro neun Mal hintereinander mit, sagen wir: dem Geheule von Westernhagen kolossal auf die Nerven zu gehen, doch Streit gibt es selten bis nie. Wenn einer über die Musik motzt, löst der Wirt das Problem mit einer Ansage: „Sing selber!“, sagt er und hält ein Mikro hin. Dann ist Ruhe, denn „The Voice of Haifisch Bar“ traut sich keiner, nur der Chef selbst. Die Auftritte von Schlufter, der besonders gerne „Michaela“ von Bata Ilic intoniert, sind Legende.
Die Musikbox hat eine Macke
Die Zeit fordert überall Tribut, selbst in der Musikbox des Hai. Der Laser, der die CD abliest, hat seit kurzem eine Macke. Freddy Quinn und Hans Albers stottern immer öfter. Der Reparaturdienst kam, doch nun ist dem alten Kasten nicht mehr zu helfen – das Ersatzteil wird nicht mehr hergestellt. Demnächst werden die CD durch eine Festplatte und MP3-Dateien ersetzt. Äußerlich, verspricht Schlufter, soll aber alles so bleiben, wie es ist.