Im Sturm an den Klippen namens Seven Sisters (mit Video)

Im Sturm an den Klippen namens Seven Sisters (mit Video) - Ankerherz Verlag

 

Im Sturm Henk an den Seven Sisters. Der Sturm zog so schnell auf, dass die britische Wetterbehörde Met Office die Warnung erst eine Stunde ausgab, bevor er auf die Küste traf. Ein Rekord übrigens: Noch nie, seit Stürme Namen bekamen, erreichte die Behörde den Buchstaben „H“ bereits im Januar. Wir erlebten den Rekordsturm an den Klippen der „Seven Sisters“ – und stießen auf eine Geschichte von Strandräubern…

Einen solch harten Sturm direkt an den Klippen der Seven Sisters erleben zu dürfen, ist ein Erlebnis voller Magie. Die Wellen krachen auf den Strand gegen die Steilküste. Man bekommt einen puren Eindruck davon, welche Kraft von der See ausgeht, wenn sie wütend wird. Unzählige Schiffe sind an dieser Küste gestrandet. Etwas weiter östlich, am Beachy Head, befindet sich die höchste Kreideklippe Großbritanniens.

Seven Sisters wird die Kliffküste zwischen Eastbourne im Osten und Seaford im Westen schon seit etwa 1600 genannt, „sieben Schwestern“. Jede Klippe und jede Senke hat eine eigenen Namen, von der Haven Brow zur Went Hill Brow und der Short Bottom zur Michael Dean.

Im Sturm an den Seven Sisters

Wie sehr die Stürme an der Kreideküste nagen, sieht man besonders an den Häusern des Dorfes Birling Gap. Jedes Mal, wenn wir hier sind, fehlen einige Meter Abstand zu den Häusern. Auch der Leuchtturm Belle Tout – der schon einmal versetzt wurde, was als Meisterwerk der Ingenieurskunst galt – ist gefährdet.

Das Meer holt sich die Klippen. Kreidestück für Kreidestück.

Dieses Video habe ich an der Treppe des Birling Gap aufgenommen, der einzigen Stelle, an der es eine Verbindung zum Strand gibt. Die Treppe wurde von einem Mitarbeiter des Nationalparks geschlossen, aus Sicherheitsgründen. Einige Touristen gingen trotz des heftigen Sturms bis dicht an die Kliffkante, um Selfies aufzunehmen.

Selfies an der Abbruchkante

Das Leid der Seeleute bedeutete einst Glück für die armen Bewohner der Küste. Es ist überliefert, dass manche Laternen an ihre Rinder banden, um den Schiffen auf See falsche Signale zu senden und sie auf die Klippen zu locken. Wie in vielen Orten Großbritanniens existiert auch im Dorf East Dean eine „historische Vereinigung“, die sich um die Historie des Ortes kümmert. In einer ihrer Publikationen lese ich, dass bei Renovierungsarbeiten im Dach eines Haus, das einst die Schmiede des Dorfes war, Masten entdeckt wurden.

Nympha Americana an den Seven Sisters. (Sussex Archaelogical Society)

Vermutlich gehörten sie der „Nympha Americana“, einem Kriegsschiff in spanischem Besitz, das im März 1747 vor Cádiz von der Crew der englischen „The Royal Family“ gekapert wurde. Das Schiff segelte von Portsmouth nach London, als es am 29. November 1747 bei schwerer See zwischen Cuckmere Haven und Birling Gap auf Felsen lief. An Bord: Mehr als 100 Mann Besatzung – und eine wertvolle Ladung.

Wertvolle Ladung verteilt am Strand

Kleider- und Samtballen, Lebensmitteln wie Zitronen, Paprika, Nussöl, Wein und Branntwein sowie Gold im Wert von 5.000 Pfund befanden sich in den Laderäumen. Als die Brecher das Schiff zerschlugen, wurden diese Güter an den Stränden unterhalb der Seven Sisters verstreut. Mindestens 50 Besatzungsmitglieder sollen beim Unglück ertrunken sein, darunter auch einige Frauen und Schiffsarzt.

Sturm am Birling Gap. Foto: Ankerherz

In einer alten Chronik steht, dass die Bewohner von Seaford bei offener Tür schliefen, um die Nachricht von einem Schiffbruch zu hören. So muss es auch in der Nacht des Unglücks gewesen sein, denn schon bald wimmelte es an den Stränden von Menschen, die versuchten, so viel wie möglich aus der „Ernte des Meeres“ zu bergen.

An Bord eines zerbrochenen Wracks zu klettern, das sich mit jeder Welle bewegte, war eine gefährliche Sache. In einem alten Tagebuch wird berichtet, dass es in jedem Dorf im Umkreis von vieler Meilen mindestens einen oder zwei junge Männer gab, die sich beim Klettern Gliedmaßen gebrochen hatten und nun Krüppel waren.

Ein Freund der Seeleute?

Die Beschreibungen jener Zeit sind drastisch. Im „Farleys Journal“ aus dem Dezember 1747 wird von einer Frau berichtet, die ihre Kinder zum Strandräubern mitnahm, weil alle Nachbarn ebenfalls auf dem Weg zum Wrack waren. Sie erfror in der Kälte des Strandes, neben ihren Kindern.

Wir kennen auch eine Heldengeschichte aus dieser Zeit. Der Pastor von East Dean, ein Mann namens Parson Darby, war angewidert von den zahlreichen Opfern. Er beschloss, etwas zu ändern – und entzündete in einer Höhle der Seven Sisters fortan ein Feuer, um die Kapitäne und Steuerleute zu warnen. „Parson´s Loch“ ging in die Geschichte der Küste ein.

Manche Historiker meinen heute, dass er vielleicht nicht nur hehre Absichten hatte. Sondern vielleicht ein Schmuggler war, der seine Komplizen mit dem Licht den Weg wies…

 

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