Seeleute und Alkohol, das ist ein beliebtes Motiv. Kennt jeder, den Seemann, der wie ein wandelnder Bierbottich durch die Gegend wankt. Nach jedem Hafen voll, in jedem Hafen eine andere Braut. Das mag auch mal so gewesen sein, wenn man den alten Geschichten von Kapitän Schwandt zuhört.
Mit der modernen Seefahrt hat das Klischee nicht mehr viel zu tun. Heutzutage sind die Crews von den Philippinen und Kiribati, die manche mit modernen Sklaven vergleichen, eher auf der Suche nach kostenfreiem W-Lan.
Es gibt ein Getränk, das mehr bedeutet für den Alltag an Bord: Kaffee auf See, das ist wichtig. Bei den meisten Reedereien gilt ein striktes Alkoholverbot an Bord. Die Arbeit auf den Großcontainerfrachter ist gefährliche Industriearbeit. Schnaps hat da nichts zu suchen.
Kaffee auf See: Nervenbalsam im Sturm
Im Laufe der Jahre haben wir Interviews mit etwa 150 Kapitänen geführt. Kaffee spielt eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Nervenbalsam. Kapitän Emil Feith aus Hamburg, der mit einem kleinen Frachter in den stärksten Sturm seit Beginn der Wetteraufzeichnungen geriet, beschreibt den Alltag im Orkan so (Auszug aus „Orkanfahrt„):
„Ich trinke Kaffee, kannenweise Kaffee, und knabbere einen Schokoladenriegel nach dem anderen, das gibt Energie und beruhigt die Nerven.“
Ähnlich sieht das Kapitän Schleiff, auch in der Anthologie „Orkanfahrt“, der eine knapp fünfunddreißig Meter hohe Monsterwelle im Sturm über dem Pazifik überlegte. Im Text heißt es:
„Als Kapitän ist man in solcher See natuürlich pausenlos auf der Brücke. Koffein hilft einem, das Schlafbedürfnis zu unterdrücken. 30 Tassen Kaffee täglich waren für mich dann ganz normal.“
20 Tassen waren ganz normal
Kapitän Uwe Bech sitzt in einem engen Hafen in Kanada mit seinem Kreuzfahrtschiff in der Falle. Er schreibt (ebenfalls in „Orkanfahrt“):
„Es wurde literweise Kaffee getrunken auf der Brü̈cke. Das macht man im Sturm so.“
Etwas gemütlicher geht es auf einem kleinen Kutter in der Ostsee zu. Kapitän Helmut Brüning schuftet als Schiffsjunge an Deck und ist für die Versorgung der Crew verantwortlich:
„Morgens stand ich um halb vier auf, kochte einen sehr schwarzen Kaffee und briet frische Lachsleber in der Pfanne, die schmeckte wie Kaninchen. Dann weckte ich die anderen. Das klingt nun alles ziemlich romantisch: Kutter im Morgengrauen, der Duft von Kaffee und gebratenem Fisch. In Wahrheit aber war und ist die Fischerei Knochenarbeit unter schwierigen Bedingungen.“
Wenn alles vorbei ist, wenn der Sturm durchzog, dann bietet eine Tasse Kaffee reine Entspannung. Eine der schönsten Stellen stammt aus „Sturmwarnung“, der abenteuerlichen Lebensgeschichte von Kapitän Schwandt.
„Den besten Kaffee meines Lebens erinnere ich noch gut. Es war am Morgen nach dem schlimmsten Sturm auf dem Nordatlantik. Der Strom war zurü̈ck an Bord und ich genoss jeden Schluck, mit dem Wissen, dass wir überlebt hatten. Ein Becher Kaffee konnte auch ein Seelentröster sein – und ein Türöffner für pfiffige Matrosen. Wir gingen immer zu dritt Wache, ein Offizier und zwei aus der Crew. Die armen Kerle standen bei kaltem Wind und garstigem Regen auf der Nock der Brücke. Brachten sie mir einen Kaffee mit, ließ ich sie im Inneren der Brücke ihren Dienst verrichten. Ein stilles Abkommen unter Kaffeetrinkern.“
Wir haben den Kaffee des alten Fischers in der Normandie entdeckt und für Dich mutgebracht. Unglaublich lecker – und jeder Schluck eine Erinnerung ans Meer. HIER probieren!