Warum sich Kapitän Schwandt auf die Bundestagswahl freut. Wir haben den Seemann in Hamburg getroffen. Es war schön, einen alten Freund wiederzusehen – und mit ihm an der Elbe über die Themen unserer Zeit zu plaudern…
Der erste Herbststurm zieht über den Norden und die Fähre, die von Finkenwerder Richtung Landungsbrücken unterwegs ist, schaukelt die Elbe hoch. Kapitän Schwandt steht schon am Anleger, als die 62 in Övelgönne anlegt. Wie immer ist der Versuch gescheitert, vor ihm zum verabredeten Treffpunkt zu kommen. Er ist einfach immer vor einem da.
„Na ming Jong, wie geht es?”, fragt er.
Der Kapitän sieht gut aus, deutlich besser als bei unserem letzten Treffen. Nicht zu glauben, was dieser Mann seit Jahren gesundheitlich aushält, ohne zu klagen. Zu chronischen Leiden kam das „Fatigue-Syndrom“ hinzu, ein Dauerzustand tiefer Erschöpfung, was alleine andere längst umgehauen hätte. Nicht aber den alten Seemann, der auch nicht mehr groß darüber reden will, wie es ihm geht. „Altersgemäß“, brummt er, schnippt sich eine Zigarette an. Rauchen geht natürlich immer.
Seit drei Wochen beim Friseur eingecheckt
Es hat zu nieseln begonnen und wir haben an Deck des Restaurantschiff am Museumshafen Unterschlupf gefunden. Der Kapitän zückt sein neues Handy, um sich mit der „Luca-App“ anzumelden. Er tippt mit einer Art Stift aufs Display („funktioniert besser als meine Wurstfinger“), und flucht: „Mist, ich bin jetzt seit drei Wochen beim Friseur eingecheckt.“ Auch den Humor hat er nie verloren.
Es ist schön, den Käpt´n wiederzusehen, doppelt geimpft und daher mit einem beruhigenden Gefühl. Wie viele alte Leute hat er die letzten Monate isoliert verbracht und war viel daheim. Zeit, zu lesen und sich mit den Nachrichten zu beschäftigen.
Laschet? Als Kanzler für Karnevalisten vielleicht
„Wer hätte gedacht, dass ich alter Sozi noch mal einen SPD-Kanzler erlebe“, sagt Schwandt. Breites Grinsen. „Sieht doch gut aus!“ Seine Sympathie für die Partei, deren Mitglied er bis zur Agenda 2010 von Gerhard Schröder war, hat er nie verheimlicht, selbst in Zeiten schlechter Umfragewerte nicht. „Auch wenn einen die Leute zwischendurch mal ansahen, als habe man Mundgeruch“, wie er mal schrieb.
Vom ehemaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, den er für ein großes MOPO-Interview in der Haifisch Bar traf („Jetzt mal ehrlich, Herr Scholz“), hält er eine ganze Menge. Nordisch gelassen, ruhig, interessiert an der Sache, nicht am Gedöns. Scholz hatte sich, als der Kapitän schwer erkrankte und sich aus der Öffentlichkeit zurückzog, auch immer mal sein Büro nachfragen lassen, wie es denn gesundheitlich so gehe. „Guter Mann“, findet Schwandt, „und mal ehrlich: Was soll denn die Alternative sein?“
Die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, findet er „zu aufgeregt, qietschig und unerfahren für diese schwierige Zeit“. Zu CDU-Kandidat Armin Laschet fällt ihm ein geeigneterer Posten als Kanzler ein. Präsident des Karnevalsvereins Aachen-Panneschopp, zum Beispiel, inklusive Pappnase und Tätä, tätä, tätä.
Der Kapitän bestellt eine Suppe zur Mug Kaffee. Wir reden über den Hafen, die Beteiligung der Chinesen am Terminal Tollerort („grober Fehler“), über die USA nach Trump und die Gefahr, die nicht erst seit dem Mord in Idar-Oberstein von der Querdenkern-Szene ausgeht. „Viel zu viele haben sich bei uns daran gewöhnt, dass die AfD in den Parlamenten sitzt“, sagt Schwandt. „Man darf sich nicht daran gewöhnen, dass Rechtsextreme Einfluss haben. Die müssen wieder raus.“
Er hofft darauf, dass viele zur Wahl gehen und sich die Tendenz der letzten Monate fortsetzt: Populisten, die immer unpopulärer werden.
Ein Ereignis hängt Schwandt noch immer nach, wie er sagt. Der überhastete Abzug des Westens aus Afghanistan und der Umgang mit Ortskräften, die unserer Bundeswehr halfen. „Das lief so schäbig wie beim Untergang der ‚Costa Concordia‘. Der Kapitän und seine Crew flüchten in die Rettungsboote, und was mit dem Rest geschieht, kümmert keinen mehr? Das geht doch nicht!“
Der Kapitän ist müde
Die nächste Mug Kaffee ist leer, der Kapitän wirkt müde. Er entschuldigt sich, er müsse nach Hause, sich hinlegen.
Wir zahlen und gehen von Bord des Restaurantschiffs. Die nächste Fähre Richtung Finkenwerder stampft schon gegen die Wellen Richtung Anleger und legt an. Als ich mich auf dem Deck der 62 umdrehe, sehe ich, wie der Kapitän langsam Richtung Taxi-Stand spaziert. Ich freue mich, dass es ihm so gut geht.