Legende der See: Der Fluch der Robbenfrau von Mikladalur

Legende der See: Der Fluch der Robbenfrau von Mikladalur - Ankerherz Verlag

Das Motiv der Robbenfrau taucht in vielen alten Mythen und Sagen des Nordens auf. Auf den Färöer-Inseln hat man einer solchen Robbenfrau ein Denkmal gesetzt. Drei Meter groß aus rostfreiem Stahl steht sie im Fischerdorf Mikladalur und trotzt jedem Sturm. Die Legende hat es in sich…

In den alten Geschichten des Nordens, in Schottland, Irland oder den Färöer ist von „Selkies“ die Rede. Von Robbenfrauen, die als Robben im Meer leben, doch in Frauengestalt am Land gehen. Die Transformation geht solange gut, bis ihnen die Robbenhaut abhanden kommt – denn ohne sie können sie nicht zurück ins Salzwasser. Ein Stoff, aus dem viele Legenden und Dramen sind.

Man könnte sagen: Abendunterhaltung zu Zeiten der Lagerfeuer – und die meisten Serien auf Netflix wirken dagegen wie unschuldige Geschichten vom Ponyhof.

Die Statue der Robbenfrau von Mikladalur, einem Dorf auf der Nordinsel Kalsoy, stammt vom Künstler Hans Pauli Olsen. Sie ist so stabil konstruiert, dass sie 13 Meter hohen Wellen standhält. Zu Jahresbeginn 2015 krachte eine mehr als elf Meter hohe Welle gegen das Denkmal. Die stählerne Robbenfrau blieb stehen. (siehe Video).

Die Statue soll an die Legende der Kópakonan erinnern, an eine bekanntesten Erzählungen auf den Färöern. Sie geht so:

In früheren Zeiten glaubte man, dass Robben einst Menschen waren, die freiwillig den Tod im Meer gesucht hatten. Einmal im Jahr, in der Dreikönigsnacht, kamen diese „Selkies“ zurück an Land. Sie durften ihr Robbenfell ausziehen, tanzen und sich zwischen den Menschen amüsieren.

Die Legende der Robbenfrau

Ein junger Bauer aus dem Dorf Mikladalur ging in dieser Nacht zum Strand. Er wollte herauszufinden, ob die Legende wahr sei. Er beobachtete eine große Anzahl von Robben, die ans Land schwammen. Sie krabbelten zum Strand, zogen ihr Fell aus und legten es vorsichtig auf die Felsen.

Der Bauer sah zu, wie eine besonders hübsche Robbenfrau ihr Fell versteckte. Als der Tanz im Dorf begann, schlich er zurück zum Strand und stahl es. Tanz und Spiele dauerten die ganze Nacht. Als der neue Tag anbrach, gingen die „Selkies“ zurück zum Strand, um ihr Fell wieder anzuziehen und ins Meer zu schwimmen.

Bis auf eine.

   

Die Robbenfrau war sehr unglücklich, dass sie ihr Fell nicht fand – obwohl doch der Geruch noch in der Luft hing? Der Bauer aus Mikladalur erschien mit ihrem Fell. Obwohl sie ihn verzweifelt anflehte, wollte er ihr es nicht zurückgeben. Sie war gezwungen, ihm auf seinem Hof zu folgen. Viele Jahre behielt er sie als seine Frau. Sie gebar ihm mehrere Kinder. Er versteckte das Fell in einer Truhe, für die nur er den Schlüssel besaß. Diesen Schlüssel trug er immer an seinem Gürtel.

Eine Warnung im Traum

Doch als er einmal mit raus zum Fischen ging, bemerkte er, dass er den Schlüssel zu Hause vergessen hatte. Er sagte zu den anderen: „Heute werde werde ich meine Frau verlieren!“ Die Männer holten ihre Netze ein und ruderten so schnell wie möglich zurück. Als der Bauer seinen Hof erreichte, waren die Kinder allein und ihre Mutter verschwunden. Sie hatte zur Vorsicht alle Feuer gelöscht und die Messer versteckt hatte, damit sich die Kinder nicht verletzen konnten.

Die Robbenfrau kehrte zu ihrer Familie im Meer zurück. Immer dann, wenn die Kinder des Bauern am Strand spielten, tauchte eine Robbe auf und schaute in ihre Richtung. Alle im Dorf glaubten deshalb, dass es sich um die Mutter der Kinder handelte.

So vergingen viele Jahre.

Der Fluch der Robbenfrau

Eines Tages planten die Männer von Mikladalur eine große Robbenjagd, auch in einer großen Höhle in den Klippen. In der Nacht vor der Jagd erschien die Robbenfrau dem Bauern im Traum. Sie warnte ihn: Er solle die große Robbe am Eingang der Höhle nicht töten. Dies sei ihr Ehemann. Die beiden kleinen Robben tief in der Höhle dürfe er auch nicht verletzen, denn es waren ihre kleinen Söhne. Sie beschrieb ihm genau, wie das Fell aussah.

Doch der Bauer ignorierte, was sie sagte. Am nächsten Tag ging er mit den anderen auf Jagd. Die Männer töteten wahllos alle Robben, die sie finden konnten. Als sie nach Hause kamen, wurde die Beute aufgeteilt. Der Bauer bekam den großen Robben-Bullen und die Flossen der zwei Welpen.

An dieser Stelle dreht die Legende nun richtig auf.

Am Abend, als der Kopf des großen Bullens und die Glieder der Kleinen gekocht wurden, hörte man einen lauten Krach in der Küche. Die Robbenfrau erschien in Gestalt eines furchterregenden Trolls. Sie schnupperte am Topf und sprach einen Fluch:

„Jetzt wird es Rache geben. Rache an den Männern in Mikladalur. Einige von ihnen werden auf See sterben, andere von den Berggipfeln herunterfallen. Solange, bis es so viele Tote gibt, dass ihre Hände den ganzen Weg um die Küste von Kalsoy reichen!”

Sie verschwand mit einem großen Donner und wurde nie mehr gesehen.

„Leider passiert es heute ab und zu immer noch, dass Männer aus dem Dorf Mikladalur im Meer ertrinken oder tödliche Unfälle in den Bergen haben. Es steht ist also zu befürchten, dass die Anzahl der Toten noch nicht ausreicht, damit die Toten mit ihren Händen die ganze Insel Kalsoy umkreisen können“, heißt es lapidar auf der Seite der Färöer-Insel Kalsoy.

Noch eine Art, mit einer solchen Legende umzugehen…

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