Mord an Bord? FBI ermittelt auf Kreuzfahrtschiff

War es Mord an Bord? Kreuzfahrtschiffe sind prinzipiell ein ziemlich guter Ort, um ein Verbrechen zu begehen. In der Nacht, wenn die Decks leer sind, gibt es keine Zeugen. Der Ozean gibt Vermisste selten wieder frei. Vor einem Jahr sorgte das Verschwinden einer Familienmutter von Bord der „MSC Magnifica“ für Schlagzeilen. Ihr deutscher Mann, den die italienische Polizei des Mordes verdächtigt, sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Nun beschäftigt ein neuer Fall die amerikanische Öffentlichkeit.

Auf einer Kreuzfahrt in der Karibik stürzte die Lehrerin Mrs. Almarosa Tenorio, 52 Jahre alt, neun Decks in die Tiefe. Sie schlug auf einem Rettungsboot auf und war sofort tot. Augenzeugen an Bord der „Royal Princess“ berichten von einem Streit mit einem Mann, der sie gewürgt und geschubst haben soll.

Das FBI hat die Ermittlungen aufgenommen

Die Polizei von Aruba nahm den Ehemann der Frau zu Befragungen mit, ließ ihn aber wieder laufen. Inzwischen hat sich das FBI in die Ermittlungen eingeschaltet. Die Ermittler wollen klären, ob es einen Mord an Bord gab oder ob es sich um einen Unfall handelt. Nach Medienberichten haben sich nun die Kinder von Mrs. Tenorio gemeldet. Sie geben an, ihre Mutter habe Angst vor der Reise gehabt. Sie habe sich von ihnen mit dem Hinweis verabschiedet, vermutlich nicht zurückzukehren. Die Kreuzfahrt soll vom Ehemann geplant gewesen sein, um Eheprobleme zu klären.

Es gibt wenige offiziellen Zahlen darüber, wie viele Menschen von Bord eines Kreuzfahrtschiffes fallen. Experten gehen von zwei Unglücken im Monat aus, was angesichts von Millionen Passagieren eine niedrige Quote wäre. Oft sind es Unfälle, manchmal Selbstmordversuche. Und dann gibt es die Frage: Mord an Bord?

Die Geschichte vor Aruba erinnert uns an eine Episode, die uns Kapitän Heinz Aye für unser Buch „Wellenbrecher“ erzählte. Aye war einer der bekanntesten deutschen Kreuzfahrtkapitäne, nach dem in der Antarktis sogar eine Landmarke benannt ist, das Aye Kliff bei der James-Ross-Insel. Auszug aus seiner Geschichte: „Kreuzfahrt in die UdSSR“.

Die Geschichte von Kapitän Aye aus „Wellenbrecher„:

„Nach jedem Landgang galt eine wichtige Regel für alle Passagiere und die Crew: Jeder hatte an der Gangway eine farbige Karte mit einer Nummer umzudrehen, damit die Besatzung wusste, dass alle wieder wohlbehalten an Bord waren. Es war nicht erlaubt, für seinen Ehepartner oder einen anderen Familienangehörigen die Karte zu wenden. Jemanden in der Antarktis auf einer Insel auszusetzen, ohne Zeugen und ohne Beweise, konnte der perfekte Mord sein.

Einmal hatten wir eine Exkursion auf King George Island in der Antarktis beendet und waren seit einer Stunde auf See, als eine weinende Frau auf die Brücke kam. »Ich finde meinen Mann nicht«, klagte sie, »er ist nirgendwo.« Ich verlangsamte die Fahrt, bestellte den Ersten Offizier und den Cruise Director zu mir, wies eine Lautsprecherdurchsage an und ließ in jeder Kabine nachsehen. Die Frau des Vermissten, eine Pfälzerin, etwa 65 Jahre alt, gab an, ihren Gatten zuletzt während eines Spaziergangs an Land gesehen zu haben, wo sie sich trennten. Am Switchboard war seine Karte umgedreht, was bedeutete, dass er sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes befinden sollte. Doch auch Stewards und Matrosen konnten ihn nicht finden und ich ließ sofort den Kurs ändern: Volle Fahrt zurück nach King George Island!

War es ein Mordversuch?

Nach einer Stunde kam die Insel wieder in Sicht. Wir suchten mit Ferngläsern das Ufer ab und mir fiel ein schwarzer Punkt auf. Einige Minuten später konnten wir erkennen, dass der schwarze Punkt Arme hatte und verzweifelt winkte. Ein Zodiac wurde ausgesetzt, um den Mann zurück aufs Schiff zu bringen. Ich ließ ihn sofort auf die Brücke eskortieren. Was war geschehen?

 

»Nachdem ich einen Kaffee aus der Thermoskanne getrunken hatte, wurde mir übel und ich fühlte mich schlapp«, berichtete der Mann, ein älterer, gesetzter Herr. Er hatte sich hinter einen Felsen gesetzt, war eingeschlafen und nach dem Erwachen panisch vor Angst das Ufer entlanggelaufen, als er sah, wie das Schiff am Horizont verschwand. Es muss ein furchtbares Gefühl gewesen sein. Die nächste Nacht hätte er bei eisigen Temperaturen nicht überlebt.

Die entscheidende Frage lautete: Wer hatte die Karte an der Gangway umgedreht und vorgetäuscht, dass er an Bord war? Seine Frau beteuerte, die Karte nicht angerührt zu haben. Ein Kreuzfahrtschiff hat kein kriminaltechnisches Labor an Bord; wir konnten ihr nichts beweisen. Ich verbot dem Mann, im Laufe der weiteren Reise noch einmal an Land zu gehen, aber ihm stand ohnehin nicht der Sinn nach weiteren Ausflügen. Mir kamen die Ereignisse höchst merkwürdig vor. Ich befragte die Stewards, ob ihnen ein Streit der Eheleute aufgefallen war, doch niemand hatte etwas bemerkt. Zur Sicherheit bat ich darum, auf Ungereimtheiten zu achten. Ich wollte keinen Mord an Bord. Doch der Rest der Reise verlief ohne Zwischenfälle.“

 

 

In unserem Buch Wellenbrecher erzählen 25 alte Kapitäne aus ihrem Leben. Das Buch gibt es überall im Handel und hier bei uns im Onlineshop.

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Die Geschichte vor Aruba erinnert uns an eine Episode, die uns Kapitän Heinz Aye für unser Buch „Wellenbrecher“ erzählte. Aye war einer der bekanntesten deutschen Kreuzfahrtkapitäne, nach dem in der Antarktis sogar eine Landmarke benannt ist, das Aye Kliff bei der James-Ross-Insel. Auszug aus seiner Geschichte: „Kreuzfahrt in die UdSSR“.

Die Geschichte von Kapitän Aye aus „Wellenbrecher„:

„Nach jedem Landgang galt eine wichtige Regel für alle Passagiere und die Crew: Jeder hatte an der Gangway eine farbige Karte mit einer Nummer umzudrehen, damit die Besatzung wusste, dass alle wieder wohlbehalten an Bord waren. Es war nicht erlaubt, für seinen Ehepartner oder einen anderen Familienangehörigen die Karte zu wenden. Jemanden in der Antarktis auf einer Insel auszusetzen, ohne Zeugen und ohne Beweise, konnte der perfekte Mord sein.

Einmal hatten wir eine Exkursion auf King George Island in der Antarktis beendet und waren seit einer Stunde auf See, als eine weinende Frau auf die Brücke kam. »Ich finde meinen Mann nicht«, klagte sie, »er ist nirgendwo.« Ich verlangsamte die Fahrt, bestellte den Ersten Offizier und den Cruise Director zu mir, wies eine Lautsprecherdurchsage an und ließ in jeder Kabine nachsehen. Die Frau des Vermissten, eine Pfälzerin, etwa 65 Jahre alt, gab an, ihren Gatten zuletzt während eines Spaziergangs an Land gesehen zu haben, wo sie sich trennten. Am Switchboard war seine Karte umgedreht, was bedeutete, dass er sich an Bord des Kreuzfahrtschiffes befinden sollte. Doch auch Stewards und Matrosen konnten ihn nicht finden und ich ließ sofort den Kurs ändern: Volle Fahrt zurück nach King George Island!

War es ein Mordversuch?

Nach einer Stunde kam die Insel wieder in Sicht. Wir suchten mit Ferngläsern das Ufer ab und mir fiel ein schwarzer Punkt auf. Einige Minuten später konnten wir erkennen, dass der schwarze Punkt Arme hatte und verzweifelt winkte. Ein Zodiac wurde ausgesetzt, um den Mann zurück aufs Schiff zu bringen. Ich ließ ihn sofort auf die Brücke eskortieren. Was war geschehen?

»Nachdem ich einen Kaffee aus der Thermoskanne getrunken hatte, wurde mir übel und ich fühlte mich schlapp«, berichtete der Mann, ein älterer, gesetzter Herr. Er hatte sich hinter einen Felsen gesetzt, war eingeschlafen und nach dem Erwachen panisch vor Angst das Ufer entlanggelaufen, als er sah, wie das Schiff am Horizont verschwand. Es muss ein furchtbares Gefühl gewesen sein. Die nächste Nacht hätte er bei eisigen Temperaturen nicht überlebt.

Die entscheidende Frage lautete: Wer hatte die Karte an der Gangway umgedreht und vorgetäuscht, dass er an Bord war? Seine Frau beteuerte, die Karte nicht angerührt zu haben. Ein Kreuzfahrtschiff hat kein kriminaltechnisches Labor an Bord; wir konnten ihr nichts beweisen. Ich verbot dem Mann, im Laufe der weiteren Reise noch einmal an Land zu gehen, aber ihm stand ohnehin nicht der Sinn nach weiteren Ausflügen. Mir kamen die Ereignisse höchst merkwürdig vor. Ich befragte die Stewards, ob ihnen ein Streit der Eheleute aufgefallen war, doch niemand hatte etwas bemerkt. Zur Sicherheit bat ich darum, auf Ungereimtheiten zu achten. Ich wollte keinen Mord an Bord. Doch der Rest der Reise verlief ohne Zwischenfälle.“

 

 

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