Die Schwere der Corona-Zeit. Im Ankerherz Blog erzählt Fiete Sturm, Seemannsdiakon aus Hamburg-Altona, aus seinem Leben (hier geht es zu anderen Geschichten). In dieser Folge geht es um die Corona-Zeit und wie die Menschen im Hafen versuchen, darin klar zu kommen.
Wenn ich aktuell morgens zur Arbeit gehe, könnte man meinen, alles sei wie immer: Die Elbe fließt wie eh und je Richtung See. Schiffe laufen ein und aus. Die Seilzüge der Flaggenmasten klappern und surren im Wind. Die Möwen kreischen heiser und warten auf Abfälle aus den Fischhallen.
Auf der anderen Elbseite, gegenüber meines Bürofensters, läuft der Hafen augenscheinlich wie an jedem anderen Tag im Jahr. Container werden von gigantischen Frachtern mit den nicht minder beeindruckenden Portalkranen gelöscht und, Legosteinen gleich, in endlosen Reihen neben und übereinander auf dem Terminalgelände gestapelt.
Selbstmotivation zieht kaum noch
Lediglich das Fehlen von früh flanierenden Touristen und die Abwesenheit des sonntäglichen Fischmarkttrubels lassen vermuten, dass etwas anders ist als die Jahre zuvor. Denn auch vor dieser, ganz speziellen, Ecke Hamburgs macht die Corona-Zeit nicht halt. Auf dem zweiten Blick sieht man dann auch immer mehr dieser Anzeichen: Restaurants sind geschlossen oder bieten nur Mahlzeiten zum Abholen an. Die Designerläden mit ihren teuren Kleidern und Möbeln sind leer. Musikbuden wie der Hafenklang oder Hafenbahnhof weitestgehend dicht.
Ich bin eigentlich ein grundoptimistischer Mensch. Egal wie sehr es regnet, ich versuche mich immer daran zu erinnern, dass es auch wieder sonnige Tage geben wird. In der Pandemie war das bisher nicht anders. „Zähne zusammenbeißen und durch, Fiete!“, sage ich mir immer wieder selbst. Dann ist es irgendwann überstanden!
Leider zieht diese Selbstmotivation in der Corona-Zeit aktuell kaum noch.
Ich merke, wie müde ich bin
Im fühle mich stellenweise ausgelaugt und energielos. Ich sehe wie Maßnahme um Maßnahme beschlossen werden und alle paar Wochen oder sogar Tage eine neue Allgemeinverordnung ausgegeben wird, nur um dann von Flügen nach „Malle“ zu lesen.
Wir tun alles in der Seemannsmission, um die Leben unserer Seeleute zu schützen, um dann zu hören, dass wir uns zusammenreißen sollen, um wieder in den Urlaub fliegen zu können. Das passt nicht zusammen. Unsere Politik verspielt im Geplänkel um Wahlergebnisse, Klienteldenken und Maskenprovisionen den letzten Rest an Glaubwürdigkeit und merkt es nicht einmal.
Das zieht mich, der ich die Wichtigkeit der Maßnahmen nicht in Frage stelle, ziemlich runter. Und ich bin damit nicht allein.
Die Schwere der Corona-Zeit
Hier unten an der Elbe geht es vielen so oder ähnlich. Meine Tätowiererin, Liz, vom Tattoo Studio „Hafenfarben“ am Fischmarkt versucht, den sich ständig ändernden Auflagen gerecht zu werden. Wie auch unsere direkten Nachbarn vom „Ratsherreneck“ oder dem „Schellfischposten“. Ich treffe kaum jemanden, der die Tragweite der Pandemie in Frage stellt oder die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Schutz von uns allen nicht anerkennt.
Im Gespräch mit Mirko von der Haifischbar wird mir das noch mal besonders deutlich. Er berichtet, dass es zeitweilig sogar ganz schön war, mal nur mit Hamburgern zu tun zu haben. Doch lebt die legendäre Hafenkneipe letztendlich auch vom Tourismus. Sinngemäß sagt er: „Es wird auch für uns langsam eng. Noch schaffen wir’s, aber ewig kann das so nicht mehr weitergehen. Es wäre mir lieber, wenn wir endlich mal einen echten Lockdown durchziehen statt immer nur diese halbherzigen Maßnahmen von Woche zu Woche und Tag zu Tag.“
Querdenker sollten nicht die Stimmung trüben
Und auch er kann über Dinge wie dem Flickwerk von Bund und Ländern, Provisionen bei Maskendeals und anderen inkonsistenten Auflagen nur noch müde den Kopf schütteln.
Ich ertappe mich etwas dabei, wie es mir gut tut, in dieser Müdigkeit nicht allein zu sein. Auch wenn ich uns natürlich wünschen würde, irgendwann wieder den Schritt in etwas Normalität tun zu können. Ein wenig verbleibe ich an diesem Tag noch in diesem melancholischen Gefühl. Bis ich mir dann endlich selbst einen Tritt in den Hintern gebe, um meinen inneren Optimisten zu aktivieren.
Ich entscheide mich, meine Stimmung nicht von Politikern, Querdenkern und wie sie alle heißen mögen, über Gebühr beeinflussen zu lassen.