In dieser Folge von Stefans Geschichten vom Meer geht es um eine kleine Geschichte, die Hoffnung macht: Banksys Schiff.
Der englische Streetart-Künstler Banksy ist ein Gespenst und eine Art Robin Hood der Kunstwelt. Seine Schablonen-Graffiti sind weltberühmt, darunter das „Ballon Girl“: Ein Mädchen, das einen herzförmigen Ballon fliegen lässt. An Wänden, in U-Bahnen und überall auf der Welt tauchen die politischen Straßenkunstwerke auf, als Zeichen gegen Rassismus, Unterdrückung und Ausbeutung. Unvergessen, als ein für 1.2 Millionen € ersteigertes Gemälde während der Auktion zur Hälfte geschreddert wurde.
Wer der Mensch hinter dem Pseudonym Banksy ist? Niemand weiß das, und diese geheimnisvolle Aura sorgt für einen noch größeren medialen Wirbel.
Als die deutsche Kapitänin Pia Klemp, 37, im September 2019 eine Email bekam, dachte sie zunächst an einen makabren Scherz. Klemp, eine toughe, tätowierte Frau, die auf Booten verschiedener NGO tausende Leben im Mittelmeer rettete, las:
„Hello Pia, ich habe von dir in der Zeitung gelesen. Du klingst, als ob du ein knallharter Typ bist. Ich bin ein Künstler aus dem Vereinigten Königreich und habe einige Arbeiten über die Flüchtlingskrise gemacht. Natürlich kann ich das Geld nicht behalten. Könntest du es benutzen, um ein neues Schiff oder etwas anderes zu kaufen? Lass es mich bitte wissen. Gut gemacht. Banksy.“
Das Schiff, das die Kapitänin unter strengster Geheimhaltung beschaffte, ist nun auf dem Mittelmeer unterwegs. Ihre Crew hat am Donnerstag 89 Menschen aus Seenot gerettet, darunter 14 Frauen und vier Kinder. Es heißt „Louise Michel“, benannt nach einer feministischen Anarchistin aus dem 19ten Jahrhundert, 31 Meter lang, pink angemalt, auch mit einem Graffiti des Spenders. Es zeigt ein Mädchen, das einen pinken Rettungsring in Herzform hält.
Geheimprojekt Banksys Schiff
Die „Louise Michel“, ein ehemaliges Schiff des französischen Zolls, fährt unter deutscher Flagge. Sie ist bis zu 27 Knoten schnell. „Damit können wir hoffentlich der sogenannten libyschen Küstenwache zuvor kommen“, sagte Kapitänin Klemp der britischen Zeitung „Guardian“, die als Erstes über das Banksy-Boot berichtete.
https://twitter.com/MVLouiseMichel/status/1298275926669656064
Pia Klemp leitet auch die aktuelle Rettungsmission, an der zehn erfahrene Seenotretter beteiligt sind. Alle haben eine Geschichte als antifaschistische Aktivisten. Weil die „Louise Michel“ ein feministisches Projekt ist, dürfen nur weibliche Crewmitglieder im Namen des Schiffes sprechen. Geplant wurde die Mission in London, Berlin und dem spanischen Burriana, wo das Schiff ausgerüstet wurde. Alles geschah heimlich: Die Crew fürchtete, dass der mediale Wirbel um das Banksy-Schiff dazu führen würde, von den Behörden noch vor dem ersten Einsatz an die Kette gelegt zu werden.
Banksy selbst ist nicht an Bord. Seine Rolle ist die „finanzielle Unterstützung der Aktion. „Er wird nicht so tun, dass er besser weiß, wie man ein solches Schiff führt, und wir werden nicht so tun, als seien wir Künstler“, sagt die Kapitänin. Das Schiff kreuzt nun auf dem Mittelmeer, um Menschen in Seenot zu retten.
Was für eine phantastische Geschichte in einer Zeit, deren Nachrichten sich oft lesen wie ein Mix aus Franz Kafka, dem Sound der Amigos und Wendler auf LSD.