Der Fähr-Rebell von Juist. In Stefans neuer Geschichte vom Meer geht es um einen mutigen Unternehmer, der sich mit einem mächtigen Monopolisten anlegte.
Resignieren und weitermachen, das wäre einfacher gewesen. Zu denken, dass die Dinge unveränderlich so sind seit 1871. Doch Jörg Schmidt, Inhaber des „Piratennest“ auf der Insel Juist, ärgerte sich so über die unflexiblen Fahrpläne der Reederei und die arroganten Reaktionen auf seine Beschwerden, dass er beschloss, aktiv zu werden.
Der Fähr-Rebell von Juist
Aus dem Gastronomen, Mitte 50, wurde der „Fähr-Rebell“. Der Unternehmer gründete also 2019 eine eigene Fährlinie und setzt auf kleine, schnelle Wassertaxis, die für die etwas mehr als drei Seemeilen zwischen Festland und dem Inselhafen nur ein paar Minuten benötigen. Schmidt riskierte etwas, das seit knapp 150 Jahren auf Juist niemand gewagt hatte: einem Monopolisten Konkurrenz machen. David kämpft gegen Goliath heute nicht mit der Zwille, sondern im Aluboot.
Wer eine Fährverbindung zu einer deutschen Nordseeinsel betreibt, konnte sich mangels jedes Wettbewerbs seiner Sache sicher sein. In Zeiten von Pandemie und Krieg und hohen Energiekosten mag es auch schwierige Phasen geben, doch insgesamt ist der Betrieb einer Linie konkurrenzlos attraktiv. Wenig Komfort, überschaubares gastronomisches Angebot, ziemlich hohe Preise? Touristen reisen trotzdem auf die Inseln, Einheimischen bleibt keine Wahl.
Das Imperium schlägt zurück
Schmidts „Töwerland-Express“ nach Juist, der Insel, die den Beinamen Zauberland trägt, veränderte die Grundregeln dieses Spiels. Natürlich schlug das Imperium zurück, was nicht nur kleine Zickereien im Alltag auf dem Wattenmeer meint, über die Schmidt eher belustigt berichtet. Der große Mitbewerber setzt inzwischen auch Wassertaxis ein, um keine Marktanteile zu verlieren.
Sechs kleine Express-Boote („Töwis“) sausen für Schmidt inzwischen über die Nordsee – und ein großes Schiff für bis zu 100 Passagiere ist bestellt. Insgesamt ein Millionen-€-Investment aus dem „Piratennest“.
Doch nun zieht ein Sturm im Wattenmeer auf, in Form einer neuen Verordnung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Skipper von Booten unter acht Metern müssen nun ein „Schiffsbesatzungs-Zeugnis“ (umgangssprachlich: Patent) nachweisen. Bei mehr als sechs Passagieren sind zwei Crewmitglieder an Bord Vorschrift. Was den Betrieb mangels Fachpersonals nicht nur wirtschaftlich schwierig macht.
Der Fähr-Rebell in schwerer See
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) beschwerte sich, die Inselgemeinde schrieb einen Brief – doch es änderte nichts. Klein-Reeder Schmidt musste eine neue Verbindung nach Baltrum zu Beginn des Monats November mangels Personals wieder einstellen. Er legte beim Oberverwaltungsgericht Hamburg Widerspruch gegen die neue Verordnung ein. Ob er schlaflose Nächte durchlebt, fragte ich ihn am Telefon. „Es geht, ich habe ein dickes Fell“, so seine Antwort.
Ich wünsche dem Fähr-Rebellen von Töwerland, dass er durchhält.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag . Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland.