Der Held von Ameland. Jede Woche schreibt Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer, die auch in der Hamburger Morgenpost erscheint. Diesmal geht es um einen Fischer, der nach einer Tragödie etwas Besonderes tat. Der Held von Ameland.
Als ich von dieser Geschichte hörte, spürte ich einen Kloß im Hals. Sie ist ein Beispiel für Anteilnahme und Solidarität an der Küste. In einer Corona-Zeit, in der man solche Geschichten gut gebrauchen kann.
Der Anlass ist traurig: Wieder hat es ein tödliches Drama an der See gegeben. Erst vor wenigen Wochen ertranken fünf junge Surfer nahe Den Haag. Dann kam ein junger Vater auf dem Darß ums Leben, als er seinen neunjährigen Sohn und dessen Freund rettete.
Nun hat sich erneut ein furchtbares Unglück ereignet, diesmal auf der westfriesischen Insel Ameland. Um den Sonnenuntergang zu sehen, spazierte ein deutscher Urlauber mit seinen Kindern am Samstagabend an den Strand. Wegen der starken Strömungen hatten die Behörden von Ameland an diesem Tag eine Warnung ausgegeben, nicht ins Wasser zu gehen.
Tragödie auf der Insel
Die Kinder liefen dennoch in die Wellen – und sie gerieten in Schwierigkeiten. Das 14-jährige Mädchen verschwand in der Nordsee. Als der Vater zur Hilfe eilte, war es zu spät. Nach mehr als zwei Tagen intensiver Suche mit Booten und einem Helikopter gab es keine Hoffnung mehr, das Mädchen lebend zu finden.
Ein Fischer, er heißt Robin Bouma, erfuhr über Funk vom Unglück. Spontan organisiert der Kapitän von „ZK47 Pieter Johannes“, so heißt sein Kutter, eine private Suchaktion. Er wollte die Leiche des Mädchens finden, um der Familie die Trauer zu erleichtern. Crews von zwanzig Kuttern aus der Region Groningen schlossen sich innerhalb von nur zwei Stunden der Aktion an. Wenig später fuhren die Fischer vor dem Strand und zwischen den Inseln Ameland und Schiermonnikoog hin und her, mit heruntergelassenen Netzen.
Die Fischer starten eine Suchaktion
Die Fischer konnten in dieser Zeit nicht arbeiten und sie verdienten kein Geld. Im Gegenteil: Sie gaben Geld für Treibstoff aus. Während einer Coronapandemie, die auch die Fischer Frieslands hart trifft. Vor allem wussten die Fischer, dass sie, wenn ihre Suchaktion Erfolg haben würde, ein totes Kind aus der Nordsee bergen mussten. Ein belastender Gedanke und einer, mit dem sich nicht viele Menschen beschäftigen möchten. Die Fischer taten es, ohne damit in die Öffentlichkeit zu wollen.
Sie taten es nur einem Grund: Weil sie es für richtig halten.
„Es ist nur menschlich, nach dem Mädchen zu suchen“, sagte mir Robin Bouma, als ich ihn anrief, um Danke zu sagen.
Gegenentwurf zu Typen wie Trump
Die Zeit der Pandemie macht einen mürbe und müde. Schlechte Nachrichten überwiegen, und man wartet nur darauf, dass sie noch schlechter werden. Das verdammte Virus, Typen wie Trump oder Erdogan, die Wirtschaftslage, dumme Diskussionen über die Maskenpflicht. Es sind kleine Geschichten wie die des Fischers Robin Bouma, die einem den Glauben wiedergeben. Den Glauben an Solidarität und Mitgefühl.
Vielleicht sollten wir uns viel mehr darauf konzentrieren.
Nachtrag: Die Leiche des Mädchen ist am späten Freitagabend nahe einer Bohrinsel vor Ameland entdeckt und geborgen worden. Wir wünschen der Familie Kraft in dieser furchtbaren Zeit. Unsere tief empfundene Anteilnahme.