Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken eine „Geschichte des Meeres“ in der Hamburger Morgenpost. Natürlich erscheint die Geschichte etwas zeitverzögert auch hier im Ankerherz Blog. Diesmal geht es um echte Helden: die Seenotretter.
Die fahren raus, wenn der Sturm tobt und die meisten Schiffe längst im sicheren Hafen liegen. Sie sind bereit, für andere Menschen ihre Gesundheit oder ihr Leben zu riskieren. Morgen (28. Juli) ist der Tag der Seenotretter. Wer an der Küste unterwegs ist, sollte sich eine der 55 Stationen und die Rettungskreuzer ansehen, um etwas aus dem Alltag der Retter zu erfahren. Es lohnt sich.
Helden in Roten Overalls
Ich habe viele Seenotretter kennenlernen dürfen, als wir an unserem Buch „Mayday“ arbeiteten. Von der Insel Borkum ganz im Westen bis Zinnowitz reisten wir, um ihre Geschichten zu erfahren. Eines hatten die Männer und Frauen gemeinsam: Sie mochten sich nicht in den Vordergrund spielen. Wie ein Angeber klingen? Um Himmels Willen! So dramatisch ihre Einsätze waren, so bescheiden war die Art, wie sie davon erzählten. Die Seenotretter sind das Gegenteil der Generation Selfie.
Tausend Seenotretter sind an der Nordsee und Ostsee im Einsatz. Mehr als Dreiviertel als Ehrenamtler, es sind also Menschen mit ganz normalen Berufen. Sie arbeiten im Büro oder in der Werkstatt, und sogar einen Finanzbeamten lernten wir kennen. Sie steigen in ihrer Freizeit oder eben im Notfall in den Roten Overall. Im Dienste einer Organisation, die seit ihrer Gründung vor 154 Jahren keinen Cent Steuergeld kassierte. Noch so eine Besonderheit.
Das Gegenmodel zur Generation Selfie
Genau 2150 Einsätze zählte die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) 2018. Rund 85.000 Menschenleben retteten sie insgesamt in ihrer Geschichte, also eine Stadt von der Größe Lüneburgs. Dies sind aber nur die Zahlen. Was uns für „Mayday“ interessierte, sind die Geschichten dahinter. In manchen Stationen gibt es regelrechte Dynastien; das Ehrenamt wird weitergegeben, vom Vater an den Sohn. Auf Langeoog zum Beispiel, wo die Familie Leiß seit vielen Generationen in der Seenotrettung tätig ist. Der aktuelle Vormann, also Chef der Station, heißt Gerriet. „Irgendjemand muss den Job halt machen“, findet er.
Die eindrücklichste Geschichte erzählte mit Dieter Steffens. Er war bei Windstärke 12 in einem Sturm auf der Nordsee von einer Welle mitgerissen worden. Als ihn ein Hubschrauber nach einem Überlebenskampf von 45 Minuten aus dem Wasser zog, wog er vier Kilo weniger. Seither feiert er den Tag als zweiten Geburtstag. 45 deutsche Seenotretter sind seit Gründung der DGzRS auf See geblieben. Es ist ein gefährlicher Job, trotz moderner Ausrüstung. Erst Anfang Juni ertranken drei französische Seenotretter im Einsatz.
Die Furcht, zu spät zu kommen
Vor Stürmen oder Wellen haben die Retter keine Furcht. „Wer Angst hat, darf nicht rausfahren“, sagt Wolfgang Gruben, ein erfahrener Retter aus dem Fischerdorf Neuharlingersiel. Doch eines treibt sie alle um: die Sorge, zu spät zu kommen. Die Furcht, nicht schnell genug vor Ort zu sein, sei ein Gefühl, „das einen fertig macht“.
Diese Aussage habe ich oft gehört.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Das Buch „Mayday“ gibt es überall im Handel und hier bei uns im Online Buchladen.
Ein besonderes „Mayday“-Event mit dem Schauspieler Till Demtrøder gibt es außerdem am Samstag, 10. August in Hamburg. Alle Informationen findet dazu findet Ihr auf der Seite des Hamburger Abendblatts.