Seemannsdiakon Fiete Sturm. Jede Woche schreibt Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer, die auch als Kolumne in der Hamburger Morgenpost erscheint. In dieser Woche geht es um den Seemannsdiakon von Hamburg. Auf unserer Seite ist er demnächst öfters zu Gast – als neuer Kolumnist bei Ankerherz!
Der Diakon der Seeleute sieht aus, als sei er einem Kinderbuch voller Klischees entsprungen. Dichter Vollbart, Tattoos auf dem Unterarm, und dann der Name: Sturm. Fiete Sturm. „So stellt sich die Landrate doch einen echten Seemann vor, was?“, sagt Sturm und grinst.
Wir sitzen vor der Haifisch Bar, Große Elbstraße, direkt an der Hafenkante und neben der Seemannsmission, Sturms Arbeitgeber. Ein seltsamer Morgen, es sind Coronazeiten: Trotz des Sommerwetters ist wenig los. Belle, die Barkeeperin, trägt Mundschutz und Handschuhe und erinnert an eine OP-Schwester. Merkwürdig ist auch die Aussicht in den Hafen. Mehrere Kreuzfahrtschiffe sind zu sehen, die Hamburg als eine Art Nothafen angelaufen haben. In der Pandemie liegen sie fest. Niemand weiß, wie lange noch.
Seemannsdiakon Fiete Sturm hilft
Tausende Crewmitglieder befinden sich Quarantäne und können nicht nach Hause. Sie sehen die Lichter Hamburgs, dürfen aber nicht an Land gehen. „Die Lage ist emotional angespannt“, berichtet der Seemannsdiakon. „Manche kriegen nach Monaten an Bord einen Lagerkoller. Das ähnelt ja schon einem schwimmenden Gefängnis.“ In Rotterdam sprang eine junge Ukrainerin vergangene Woche in den Tod.
Rund 150.000 Seeleute, so die Schätzungen, sind weltweit gestrandet. Crew-Wechsel wurden verschoben und die meisten Reedereien verzögern die Ablösungen mit Hinweis auf die Sicherheit weiter.
Dennoch kann Seelsorger Sturm, Jahrgang 1981, den Betroffenen nicht helfen, wir er es gerne würde. An Bord der Schiffe darf er nicht. In die Seemannsmission dürfen die Seeleute nicht. Vergangene Woche betreute Sturm zwei chinesische Crewmitglieder, die nicht nach Hause kamen; dann gab es Probleme, weil Philippinos nach Hause fliegen sollten, ihr Heimatland aber die Grenzen geschlossen hat. Jemand bei der Bundespolizei hielt es für eine gute Idee, dass sich die Seeleute einige Wochen im Transitbereich des Flughafens aufhielten, was Sturm und andere abwenden konnten. Für die Crew der „Europa2“, die gegenüber der Haifisch Bar liegt, bringt ein Mitarbeiter der Seemannsmission alle zwei Tage die Post. „Es sind wirklich seltsame Zeiten“, sagt Sturm.
Seemannsmission braucht Hilfe
„Pragmatische Hilfe“ ist sein Ding, nicht so sehr die Predigt. Sturm möchte den Seeleuten „ein Wohnzimmer“ bieten und einen Ort, an dem sie wieder Mensch werden. In Altona werden sie mit Namen angesprochen, im Unterschied zum Alltag an Bord der großen Frachter. Da heißen sie nur „AB“ (Able-bodied Seaman) oder „OS“ (Ordinary Seaman). Rädchen in einem großen Getriebe, austauschbar wie jedes kleine Ersatzteil. In Altona bekommen sie ihren Namen zurück und auch ihre Würde.
Auch die Seemannsmission selbst ist wegen der Coronakrise in eine bedrohliche Lage geraten. Die 76 Betten bleiben leer, Einnahmen fehlen, und für den gemeinnützigen Verein greift kein staatliches Hilfspaket. „Wie lange können wir das durchhalten?“, fragt sich Sturm. 15 Mitarbeiter hat die Seemannsmission, ein Haus mit viel Tradition. Der Verein gründete sich 1901, das Seemannsheim wurde 1930 eröffnet.
Eine solche Krise hat es bislang noch nicht erlebt.
Wer für die Seemannsmission spenden möchte: Hamburger Sparkasse, IBAN: DE42 2005 0550 1268 133 723 / BIC: HASPDEHHXXX