Solidarität auf See. Jedes Wochenende schreibt Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Kolumne namens „Geschichten des Meeres“ für die Hamburger Morgenpost. Diesmal geht es um ein Zeichen der Solidarität, das Fischer gesetzt haben. Sie suchten gemeinsam nach zwei vermissten Kameraden, deren Kutter in der Nordsee vor Texel sank.
Der kleine Kutter hatte den Hafen von Den Helder im Norden der Niederlande am Mittwoch gegen Mittag verlassen, um auf Garnelenfang zu gehen. UK-165 Lummetje, 20 Meter lang, sechs Meter breit, Rufzeichen PDQZ. An Bord: Der Eigner des Kutters, 41 Jahre alt, und ein 27 Jahre altes Besatzungsmitglied, beide aus dem Fischerdorf Urk am Ijsselmeer.
Um kurz vor sechs am nächsten Morgen empfängt die Notrufzentrale das EPIRB-Signal des Kutters. Dieser Alarm wird automatisch ausgelöst, wenn ein Schiff sinkt. Eine große Suchaktion beginnt auf der Nordsee, an der die Crews von Seenotkreuzern, einem Hubschrauber und einem Flugzeug beteiligt sind. Schon wenige Stunden später gelingt es der Besatzung eines Minensuchers, UK-165 mit den Sonargeräten auf dem Meeresgrund zu orten: Der Kutter ist vier Seemeilen westlich der Insel Texel gesunken. Von den Fischern fehlt jede Spur. Schweres Wetter behindert die Sucharbeiten. Taucher können nicht zum Wrack und und bei hohem Schwell verletzten sich zwei Seenotretter in ihrem Boot.
Solidarität der Seeleute
Während ich diese Kolumne schreibe, gelten die Fischer noch immer als vermisst. Es gibt nun keine Chance mehr, sie noch lebend in der kalten Nordsee zu finden. Die Küste trauert.
Dieses Unglück ist eine Erinnerung daran, wie gefährlich der Beruf des Fischers auch heute noch ist. Es ist eine Mahnung, wie unerbittlich die Nordsee ist.
Ein Foto, das die niederländischen Seenotretter KNMR twittern, sorgte während der Sucharbeiten für einen Kloß im Hals. Ein Luftbild, aufgenommen aus einem Helikopter, das etwa ein Dutzend Kutter zeigt. Die Fischer fahren in Suchformation nebeneinander, um nach ihren Kollegen zu suchen. Sie haben ihre Arbeit unterbrochen und durchkämmen gemeinsam die raue See. Als es Abend wird und die Suche wegen der Dunkelheit abgebrochen werden muss, liest man in den Sozialen Medien von ihrer Trauer und ihrer Anteilnahme für die Familien der Ertrunkenen.
Anteilnahme für die Familien
Das Foto erinnerte mich an eine Geschichte vor der deutschen Küste, aus dem Januar 1995. Als die Nachricht eintraf, dass der Seenotrettungskreuzer „Alfried Krupp“ gesunken war, liefen in Neuharlingersiel alle Kutter raus in den Sturm. Einer der Seenotretter stammte aus einer alten Familie des Dorfes. Alle Fischer wollten dabei helfen, ihn zu suchen.
Solidarität ist selten in unserer Zeit. Auf See und an der Küste gibt es sie noch.
Update: Am Sonntag des 1. Advent gibt es traurige Gewissheit. Marinetaucher entdecken die beiden vermissten Fischer im Wrack auf dem Meeresgrund. Welch ein schwerer Schlag für ihre Angehörigen, so kurz vor Weihnachten. Alle mit Ankerherz trauern mit den Familien.