Wir brauchen mehr Menschen wie diesen Fischer aus Fedderwardersiel. In dieser Folge von Stefans Geschichten von Meer geht es um Miitgefühl und Courage. Genau das ist es, was wir in der aktuellen Lage brauchen. Mut statt Wut.
Wir brauchen mehr Fischer aus Fedderwardersiel.
Eigentlich liegen die Dinge klar. Raketen werden gezielt auf Wohnhäuser gefeuert, Teenager vergewaltigt, Opas von Rädern geschossen. In dieser Woche fiel der nächste Manager, der gegen den wahnsinnigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine protestiert hatte, in Moskau aus einem Fenster.
Auch wir sind schon lange das Ziel einem hybriden Krieg, ausgetragen über Energiepreise und Desinformation. Statt Putin nun mit einem großen Mittelfinger zu begegnen und dem Vertrauen auf europäische Wirtschaftskraft, geht das Gejammer schon vor dem „Wutwinter“ los. Populisten von der AfD bis Oskar Lafontaine sehen ihre Gelegenheit.
Solidarität? Gibt es momentan leider nur auf See.
Der Fischer eilt zur Hilfe
Ein Segler meldete in der Außenweser vor Bremerhaven einen Wassereinbruch, kurz vor Mitternacht. Er warf einen Anker, trieb aber ins Fahrwasser der großen Pötte. Lebensgefahr! Die Kapitäne können ein kleines Boot nicht erkennen, in der schmalen Fahrrinne mit ihrem Tiefgang weder ausweichen noch bremsen. An Bord der Jacht fiel auch noch der Strom aus. Und ein 400 Meter langes Großcontainerschiff, die Magleby Maersk, war auf dem Weg.
Der Fischer Söhnke Thaden, 52, dessen Familie aus Fedderwardersiel seit fünf Generation mit dem Meer lebt, hörte über Funk vom Notfall. Sofort bot er seine Hilfe an. Er holte die Netze ein und hielt auf die Position des Havaristen zu. Die Einsatzzentrale gab an, dass er ein Zeitfenster von maximal 15 Minuten hatte – dann wurde es gefährlich.
Fünfzig Meter bis zur Katastrophe
Fischer Thaden fand den verzweifelten Segler, der mit einer Taschenlampe in die Dunkelheit leuchtete. Er stellte eine Leinenverbindung her und beruhigte den Mann. Die Seenotretter trafen ein. Dann wurde es eng. Im Einsatzbericht steht: „Wie eine schwarze Wand zog der Containerriese an Kutter, Havarist und Seenotrettungskreuzern knapp vorbei“. Diese Berichte sind nicht für ihren Sinn für Dramatik bekannt. Im letzten Moment hatte der Lotse an Bord des Containerriesen den Kurs geändert.
Knapp fünfzig Meter Abstand seien es wohl gewesen, schätzt Thaden. 50 Meter. Das ist so gut nichts auf See. „Ohne die Fischer wäre der Einsatz anders ausgegangen“, sagen die Seenotretter. Sie schleppten die Jacht nach Hooksiel, wo sie nach einer unruhigen Nacht um 5:30 Uhr eintrafen. Der Fischer war zu diesem Zeitpunkt schon wieder bei der Arbeit.
„Was ich getan habe, ist nicht der Rede wert“, sagte Söhnke Thaden, als ihn auf seinem Kutter erreichte. „Das ist doch selbstverständlich“. Seine Frau daheim in Fedderwardersiel, die ich zuerst am Telefon hatte, wusste gar nichts von der Rettungstat ihres Mannes.
Wir sollten diesen Fischer feiern. Genau diesen Geist braucht es nun.
Mut statt Wut.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.
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Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.
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