Kalter Wind weht über das Deck, während das Whalewatching-Boot „Aegir“ die Leinen losmacht. Touristen stehen schon bereit. Sie hoffen auf die Sichtung eines Wals. Das Schiff tuckert aus dem Hafen, vorbei auch an alten Lagerhallen, in denen früher Walfleisch verarbeitet wurde. Diese Zeiten sind vorbei - und in diesem Sommer wird kein einziges Walfangboot Reykjavik verlassen.
Wale bringen lebendig deutlich mehr
Es ist eine Nachricht, die mehrere isländische Medien verbreiten und Tierschützer auf der ganzen Welt freut. Die Besatzung des letzten verbliebenen Walfangunternehmens im Land, sie heißt "Hvalur hf.", wurde informiert: Das Schiff bleibt im Hafen. Kein Walfang in diesem Jahr!
Nicht die Überzeugung, sondern wirtschaftlicher Zwänge sind der Grund. Aktuell gibt es keine Perspektive, mit dem Töten von Walen Geld zu verdienen. Denn Japan ist der Hauptabnehmer für isländisches Walfleisch. Der Appetit auf die vermeintliche Delikatesse aber schwindet – nicht zuletzt wegen gesellschaftlicher Veränderungen.
Während in den 1960er Jahren noch Hunderttausende Tonnen jährlich in Japan verzehrt wurden, ist es heute nur noch ein Bruchteil. Der Markt ist buchstäblich gesättigt, und der kleinere Bedarf wird durch japanische Walfänger selbst gedeckt. Sie gehen seit 2019 wieder offiziell auf die Jagd.
Auch auf Island wurden von der Regierung wieder Lizenzen erteilt, was viele Umweltschützer aufregte. 217 Zwergwale und 209 Finnwale pro Saison dürften laut Genehmigung gejagt werden. Dabei gelten Finnwale, die zweitgrößten Meeressäuger der Welt, als „verletzliche“ Spezies. Ihr Bestand liegt bei rund 100.000 Tieren. Der internationale Walfangstopp von 1986 sollte ihre Art schützen – doch Island, Norwegen und Japan machen weiterhin Ausnahmen.
Walfgang hat auf Island eine lange Tradition
Island blickt auf eine lange Geschichte des Walfangs zurück. Der Fokus verschiebt sich zunehmend vom Harpunieren zum Beobachten. "Whalewatching" gehört mittlerweile zu einem wichtigen touristischen Angebot des Landes. Es steht für ein neues Verhältnis zur Natur und für eine andere Form des wirtschaftlichen Denkens.
Jetzt regelt nicht das Umweltbewußtsein, sondern eben der Markt. Die Preise in Japan sind im Keller - und die isländische Krone obendrein schwach gegenüber dem japanischen Yen. Die Zukunft? Ungewiss. Im kommenden Jahr soll die Lage "neu bewerten werden", heißt es.