Finnland bedeutet für den Bau von Eisbrechern das, was Deutschland einst für Automobile war und Peru für das Panflötenspiel in den Fußgängerzonen dieser Welt. Acht von zehn Eisbrecher, die auf den Ozeanen unterwegs sind, wurden in Finnland entworfen und sechs von zehn auf finnischen Werften gebaut.
Was Sinn macht, denn Finnland brauchte im Winter starke Schiffe, um Handel treiben und funktionieren zu können. Häfen wie Kotka, Hamina, Kokkola und Helsinki frieren in den kalten Monaten meterdick ein, manchmal von Ende Oktober bis Anfang Mai.
Oder besser: Sie froren ein.
„Was wir heute sehen, das ist eine Folge des Klimawandels“, sagte Niclas Seligson, Kapitän der Finnstar, einer Fähre mit der Eisklasse „1A super“, als ich ihn auf der Brücke besuchte. „Eisbrecher-Tour“ hatten wir die Gruppenreise von Travemünde nach Helsinki genannt, in Erwartung einer See, deren Oberfläche bedeckt sein sollte wie ein Whiskey Sour in der Hamburger Bar „Le Lion“.
Kein Eis, nirgends
Doch da war: nichts. Kein Eis, keine noch so kleine Scholle, nicht mal zwischen den Schären unmittelbar vor dem Hafen. Um einige Klümpchen, die sich am Anleger des Kauppatori gebildet hatte, dem zentralen Markt Helsinkis, drängten sich später beim Landausflug unsere Reisenden, für Schnappschüsse. „Eisbrecher-Tour“, sehr witzig.
Vor einigen Jahren sei die Ostsee von der schwedischen Insel Gotland bis in den Hafen eine einzige Eisdecke gewesen, erzählte mit Kapitän Seligson. Anfang 50, ein erfahrener Seemann. Es krachte mächtig. Heute kämpft er mit viel Wind, den der warme Winter bringt: Sturm statt Schnee.
Dafür gab es andere Dinge zu sehen: Tanker, von denen manche auf der Liste der russischen Schattenflotte stehen. Und NATO-Schiffe, jede Menge, besonders vor der eben genannten Insel Gotland. Einige Tage nach der Reise kam die Nachricht, dass ein wichtiges Unterseekabel in diesem Seegebiet beschädigt wurde.
Zwischen Orwell und Pippi Langstrumpf
Es war ein seltsames Gefühl, als wir die Brücke verließen, es war der Eindruck, etwas zu erleben, das nicht richtig war. Wenn der große Kühlschrank Helsinki im Februar eisfrei bleibt, ist nicht mehr viel 1A Super.
Auf meiner Kabine las ich von den neuesten Entscheidungen des Donald Trump, dem mächtigsten Alleinunterhalter, nebenbei zuständig für das Land mit den zweithöchsten CO2-Emissionen. Trump hat nicht nur das Pariser Klima-Abkommen zum zweiten Mal aufgekündigt, sondern auch die Begriffe „Klimawandel“ und „Klimakrise“ aus dem offiziellen Sprachgebrauch gestrichen. US-Behörden dürfen sie nicht mehr verwenden, auf den Webseiten wurden sie gelöscht.
Was nicht benannt ist, das gibt es einfach nicht, in einer Logik irgendwo zwischen Pippi Langstrumpf und George Orwell. Trump will auch Strohhalme aus Plastik zurückbringen, denn die aus Papier „explodieren“. Wer kennt sie nicht, die explodierenden Papierstrohhalme, ein ernstes Problem. Was macht es schon, dass Plastik die Meere vermüllt?
Denn ein Hai, und ja: Trump schreibt es wirklich, ein Hai hat auch kein Problem, wenn er sich durch den Ozean frisst.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues "Kleines Buch vom Meer: Häfen“.
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